Das wichtigste Segel einer Yacht ist meist das Vorsegel. Nicht nur, dass es sehr oft den Löwenanteil am Vortrieb liefert, es ist auch das erste Segel, welches auf die sich bewegende Luft trifft. Die Luftströmung am Vorsegel ist sauberer als die am Großsegel – es gibt keinen Mast, der an der vorderen Kante für Turbulenzen sorgt – und daher kann das Boot etwas höher am Wind anliegen. Außerdem erhöht es die Strömungsgeschwindigkeit am Großsegel. Unkompliziertes Wenden und Reffen sind die üblichen Schlüsselfaktoren bei der Auswahl des Vorsegels, ebenso wie eine hohe Lebensdauer. Letzteres gilt in besonderem Maße für eine Fahrtenyacht, wo die Vorsegel üblicherweise während der gesamten Saison angeschlagen bleiben. Vorsegel haben kein einfaches Laben!
Fock oder Genua?
Vorsegel gibt es in allen Größen, gemessen werden sie normalerweise in Prozent des J-Maßes. Das ist der Abstand vom Mast bis zu dem Punkt, an dem das Vorstag auf das Deck trifft. Es ist damit auch die Länge der Basis des Vorsegeldreiecks. Wenn ein Vorsegel länger ist als das J-Maß, dann überlappt es den Mast und wird als Genua bezeichnet. Ist es kürzer als J, überlappt es nicht und gilt als Fock. Die Überlappung ist der Teil des Segels, der über das J-Maß hinaus reicht. Als Beispiel: Eine 130-Prozent Genua misst 1,3 Mal die J-Länge und wird den Mast um 30 Prozent des J-Maßes überlappen.

Reicht ein einzelnes Vorstag?
Unsere Standard Vorsegel-Konstellation ist ein Sloop Rigg: Ein einzelnes Vorstag mit entweder einer Fock oder einer Genua. Damit kann man am dichtesten an den Wind gehen, und es ist auch die kostengünstigste Variante. Je nachdem, wo und wie man segelt, kann das Vorsegel hier eine selbstwendende Fock oder eine 120 bis 135 Prozent Genua sein. Sie werden vielleicht beobachtet haben, dass der Wind sich an kälteren Tagen stärker anfühlt, als der Wind gleicher Stärke an warmen Tagen. Das liegt nicht nur an der größeren Differenz zwischen Luft- und Körpertemperatur, es hängt auch damit zusammen, dass warme Luft eine geringere Dichte hat und damit leichter ist, als kalte Luft.
Ein Temperaturabfall von drei Grad Celsius erhöht die Luftdichte um etwa ein Prozent, und bei kaltem Wetter übt die dichtere Luft mehr Kraft auf die Segel aus. Wenn Sie also in einem Revier wie Nordeuropa oder Kanada mit üblicherweise stärkeren und kälteren Winden segeln, wäre eine 120-Prozent Genua vorzuziehen. Segeln Sie jedoch in wärmeren Gefilden, wo der Wind im Allgemeinen wärmer und die Windgeschwindigkeiten geringer sind, sollten Sie eine 135-Prozent Genua in Betracht ziehen.
Die Vorteile eines Solent Riggs
Die populärste Option bei unseren Schiffen ist ein Solent Rigg, welches zuweilen auch als „Slutter-Rigg“ bezeichnet wird, weil es eigentlich eine Mischung aus Sloop und Kutterrigg ist. Seit 2010 wurden 98 Prozent unserer Yachten mit einem Solent Rigg ausgestattet. Statt nur ein Vorsegel zu fahren, montieren wir ein zweites Vorstag, an dem ein zweites Vorsegel gesetzt werden kann. Das vordere Stag hat dabei eine Genua und das innere Stag eine 97-Prozent Fock, die üblicherweise selbstwendend ist.

Der Vorteil dieses Riggs liegt darin, dass man eine gut dimensionierte Fock hat, die ab etwa zehn Knoten Windgeschwindigkeit (zirka drei Beaufort) benutzt wird. Mit einer selbstwendenden Fock ist es so viel einfacher, in vollen Gewässern oder auf schmalen Flüssen zu segeln. Der Aufwand beim Wenden beschränkt sich darauf, das Rad zu drehen und durch den Wind zu gehen. Es gibt keine Schoten zu bedienen, kein Suchen nach Winschkurbeln, kein anstrengendes Dichtholen. Die Fock ist das bevorzugte Segel am Wind oder auf der Kreuz, doch nach dem Abfallen, oder auch höher am Wind bei leichterem Wetter und in offenem Wasser, kann man bei diesem Rigg sehr einfach auf die größere, dann effektivere Genua wechseln.
Sollte der Wind zunehmen, kann man die Genua komplett einrollen. Statt mit einer nur halb eingerollten, also gerefften Genau zu segeln rollt man dann die Fock wieder aus. Eine teilweise eingerollte Genua verliert ihr Profil, steht dann schlecht und bringt weniger Vortrieb. Mit der Fock jedoch hat man ein perfekt getrimmtes Vorsegel und einen ausgewogenen Segelplan bis zu etwa sieben Windstärken. Danach kann man die Segelfläche reduzieren indem man die Fock stückweise einrollt.

Der Vorteil eines Solent Riggs liegt also darin, dass die benötigten Vorsegel bereits fertig für den Einsatz angeschlagen sind. Damit wird das Segeln sicherer, einfacher und schneller.
Stellen Sie sich vor, Sie kommen zu Ihrem als Sloop getakelten Boot. Die Genua ist wie immer angeschlagen und klar zum Einsatz, der Wetterbericht sagt leichte Winde voraus, es besteht also keine Notwendigkeit, auf ein kleines Segel zu wechseln. Nach dem Auslaufen merken Sie aber, dass der Wind stärker ist als erwartet, die Richtung geändert hat oder Sie Ihre Pläne umwerfen. Wie auch immer, das Vorsegel muss also verkleinert werden. Sie haben nun zwei Möglichkeiten: Die Genua teilweise einzurollen und damit einen miserablen Stand des Segels, verstärkte Krängung und weniger Höhe am Wind in Kauf zu nehmen; oder die Fock aus der Vorpiek zu holen, die große und wahrscheinlich nasse Genua zu bergen und die Fock zu setzen. Das allerdings ist für Sie und ihre Crew eine mühevolle Arbeit. Und es kann immer sein, dass der Wind bald wieder nachlässt.
Mit einem Solent Rigg können Sie in weniger als zwei Minuten die Genua ein- und die Fock ausrollen. Und das, ohne dabei das Cockpit verlassen zu müssen. Damit haben Sie immer die optimalen Segel für die jeweiligen Bedingungen gesetzt. Sollten Sie später eine Huk umrunden und abfallen, oder der Wind nachlassen, können Sie ebenso einfach wieder auf die Genau wechseln und das Segeln mit viel Power genießen.
Der Nachteil zweier Vorsegel
Ein Nachteil beim Solent Rigg ist, dass das zweite Vorstag relativ dicht hinter dem ersten sitzen muss. Das erzeugt leichte Turbulenzen in der Luftströmung an der Fock. Würde man das innere Stag etwas weiter hinten ansetzen, wie bei einem traditionellen Kutterrigg, würde sich die Fläche der Fock verkleinern, fast bis zu einer Art Sturmfock. Obendrein müsste dann das Deck entsprechend verstärkt werden, was wiederum den großen, freien Raum der vorderen Kabine stören würde. Eine solche Verstrebung würde dann in der Mitte der vorderen Doppelkoje landen – nicht sehr praktisch. Würde man hingegen das äußere Vorstag an einem Buchspriet fahren, verlängert sich das Boot über alles, was vor allem die Hafenmeister und Hafenbetreiber durch die entsprechend höheren Liegegebühren glücklich macht.
Wenn beide Vorstage dicht hintereinander sind, muss die Genua beim Wenden erst ein- und dann, auf dem neuen Bug, wieder ausgerollt werden. Bei Fahrtenyachten wie unseren, die sich eher nicht auf enge Wendeduelle einlassen werden, finden wir, dass dies ein kleiner Preis ist für die ansonsten so einfach zu nutzende Vielseitigkeit dieses Riggs – vor allem, wenn Sie eine elektrische Winsch oder ein elektrisches Rollsystem haben. Beim Kreuzen können Sie entweder längere Schläge machen oder einfach auf die selbstwendende Fock wechseln, wenn Ihnen das Ein- und Ausrollen der Genua in den Wenden zu mühsam ist. Beim Kreuzen erhöht sich der scheinbare Wind, so dass die Fock dann schon bei geringeren Windstärken gut funktioniert. Die Genua werden Sie wirklich nur bei sehr leichtem Wind zum Kreuzen nutzen wollen.
Die Hybrid-Option
Ein weiterer Nachteil der doppelten Vorsegel sind die höheren Kosten: Zwei Segel, zwei Rollanlagen, zwei Stage. Damit hat man dann immer noch kein Downwindsegel für leichteren Wind. Warum also nicht das einfache Sloop Rigg mit nur einem Vorstag wählen, dazu aber eine selbstwendende Fock oder eine kleine, 110 Prozent Genua für einfaches Wenden? Sowie ein asymmetrisches Downwindsegel auf einer Rolle?

Am beliebtesten für diesen Zweck ist ein 150 Prozent (oder größeres) Code Zero Segel. Das ist eine Art übergroße Genua, die voller geschnitten ist und an einer abnehmbaren Rollvorrichtung an einem kleinen Bugspriet fliegend gesetzt wird, bis zu 13 Knoten (etwa vier Windstärken) Windgeschwindigkeit. Das hört sich gut an und ist auch eine mögliche Lösung, da ein Code Zero im Bereich von zwei bis 13 Knoten Windgeschwindigkeit funktioniert, die Fock hingegen ab 12 Knoten am besten geeignet ist. Im Bereich der schönsten Segelbrise von zehn bis 15 Konten Wind, also um die vier bis knapp fünf Windstärken, kann es jedoch eng werden. Die Fock wird dann vielleicht noch zu klein sein, außer am Wind, während es dann schon eine Handvoll Arbeit ist, den Code Zero zu bändigen.
In der Praxis wird der Code Zero auch selten angeschlagen, wenn es kalt oder nass ist. Bei Nässe muss das Segel vor dem Verstauen sowieso getrocknet werden um Schimmelbildung zu vermeiden. Aus diesen Gründen entscheiden sich die meisten unserer Eigner für das Solent Rigg.